1517 und 2017

Die reformatorischen Gedanken, die alten häretischen Stimmen der Mystikerinnen und Mystiker aufnehmend und weiter entwickelnd, führten zu einer politischen und innerkirchlichen Umwälzung von ungeahntem Mass und beeinflussten später Aufklärung und Säkularisierung.

Heute stehen globalwirtschaftliche Interessen Tendenzen nationaler Isolierung und radikalisierendem, religiösem Fundamentalismus gegenüber. Dazwischen stehen Menschen. Sie werden gelyncht, gefoltert, entmündigt, vertrieben oder, irregeführt von falschen Hoffnungen auf ein besseres Leben, zur Flucht verführt und gezwungen.

Man stelle sich vor: ein überfülltes Boot auf dem nächtlichen stürmischen Mittelmeer. Hunderte von Menschen rufen verzweifelt und vielleicht stumm nach Hilfe.

Oder man höre hinein in die Flammen des brennenden Grenfell ­Tower in London.

Wehe, die Stimmen würden laut und erreichten ungehindert unser Ohr!

Aussagen der Reformatoren Oekolampad Basel | Zwingli Zürich | Haller Bern | Farel Lausanne und Luther | die Bannandrohung aus Rom | Mallarmé «Le Coup de Dès» | Freud «Warum Krieg» | Opfer eines Genozids aus Myanmar, 2016 | die Heiligenfiguren des «Himmlischen Hofs» im Chorgewölbe des Berner Münsters | Namen jüdischer, christlicher und islamischer Mystiker und die Vornamen einer Schweizer Schule wurden im Kompositionsprozess zusammengeführt und vermischt zum Libretto der Raumsinfonie «STEINHIMMEL».

Der Kirchenraum als Instrument wird zum Resonanzraum, zum Echoraum, den alle Lauschenden, Singenden, Spielenden durch ihre Präsenz und ihre Hingabe zum Klingen bringen und gleichsam wie eine Arche Noah durch die Zeiten der Gegenwart steuern.

Daniel Glaus

Trabant 2018/19 verlief in der äusseren, organisatorischen Form nach dem Muster der 2016 modifierten, zweiten Trabant-Edition, da sich diese in jeder Hinsicht bewährt hatte. Zusätzlich zu den 8 Kandidat:innen vergaben wir diesmal eine „wild card“ an die (sehr) junge und talentierte Komponistin Joey Tan, auf die wir auf unserer Reise nach Singapur im vergangenen Herbst aufmerksam geworden waren. Joey nahm als vollwertiges Mitgleid der Gruppe teil, jedoch fremdfinanziert und somit auch nicht das anliegende Budget belastend.

In einem ersten Modul im November 2018 war Raum für instrumentenspezifische Fragen, angefangen von kleinen Besetzungen bis hin zu Balance-Fragen in der vollen Besetzung. Unsere beteiligten Kernmitglieder konnten ihre Erfahrung und ihr Know-how und Auskünfte über relevante Fachliteratur direkt an die gemeinsam als „Klasse“ anwesenden Komponist:innen weitergeben, was auf sehr fruchtbaren Boden fiel.

In einem zweiten Modul – angesetzt im Januar 2019 – reisten die Komponist:innen teils mit Skizzen, teils mit bereits ausgewachsenen Kompositionen im Gepäck an, die durch grössere Register und anschliessend durch das vollständige Ensemble ausprobiert und erprobt wurden. Feedbacks durch den ab diesem Zeitpunkt anwesenden Detlev Müller-Siemens, durch Jürg Henneberger wie durch Ensemble-Mitglieder führten zu einer vertieften, intensiven Auseinandersetzung mit den Kompositions-Skizzen. Erik Oña musste sich aufgrund seiner schweren Krankheit ganz aus dem Projekt zurückziehen, und wir konnten ihn durch Detlev Müller-Siemens ersetzen, mit dem wir bereits in der Edition 2016/17 in gleicher Funktion erfolgreich zusammengearbeitet hatten.

Für das dritte Modul (Juni 2019) lieferten alle Komponist:innen ein fertiges Stück in Partitur und Stimmenmaterial (digital und auf Papier), dem 8 der 9 Komponist:innen auch nachkamen (die Koreanerin Ji Hyon Yoon blieb dem letzten Modul aus familiären Gründen fern). In einer fast zu dichten Probephase probte das vollbesetzte Ensemble die acht teils umfangreichen Kompositionen, wieder mit ständiger Anwesenheit aller Komponist:innen und Detlev Müller-Siemens. Am Samstag, 8. Juni 2019 wurden alle Kompositionen in einem bewusst internen Konzert uraufgeführt und gleichzeitig aufgenommen.

Aus den  Kandidat:innen werden zwei als Preisträger:innen für das im Januar 2020 geplante Konzert im Zusammenhang mit Witlod Lutosławski’s „Chain I“ ausgewählt.

Im Jahr 2020/21 führe das EPhB zum vierten Mal seinen dreiteiligen Trabant-Workshop durch, der zum ersten Mal 2014/15 erfolgreich stattgefunden hatte.

In einem international ausgeschriebenen Kompositions-Aufruf wurden 8 Nachwuchs-Komponist:innen gesucht. Die Zusammenarbeit gliederte sich in drei Module mit Workshop-Charakter. Für ein viertes Modul wurden zwei der Teilnehmer:innen ausgewählt, die dann innerhalb der Folge-Saison des Ensemble Phoenix Basel von diesem einen regulären Kompositionsauftrag für ein Werk erhielten, das auf ein programmiertes Zentralwerk eines „Klassikers der Moderne“ Bezug nehmen oder dieses kommentieren sollte. Im Jahr 2021 handelte es sich um Gérard Grisey’s „Vortex Temporum“.

 

Der aus St. Gallen stammende Komponist und Improvisator Norbert Möslang hat zur Einweihung der „Binären Uhr“ im Auftrag des Hochbauamts St. Gallen ein neues Werk komponiert.


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