Datum / Ort I

06 Februar 2022 Gare du Nord, Basel

Datum / Ort II

07 Februar 2022 Gare du Nord, Basel

Serie

Phoenix

Titel

Melodram

Programm

Michael Jarrell (*1958) «Kassandra»  Monodrama für Sprecherin, Instrumentalensemble und Elektronik (1994) – 54’

Musiker:innen

Verena Buss
Sprecherin
Jürg Henneberger
Musikalische Leitung
Christoph Bösch
Flöte, Altflöte
Antje Thierbach
Oboe, Englischhorn
Toshiko Sakakibara
Klarinette
Richard Haynes
Bassklarinette
Lucas Rößner
Fagott, Kontraforte
Aurélien Tschopp
Horn
Simon Kissling
Horn
Nenad Marković
Trompete
Michael Büttler
Posaune
Daniel Stalder
Schlagzeug
João Pacheco
Schlagzeug
Ludovic Van Hellemont
Klavier, Celesta
Samuel Wettstein
Synthesizer
Friedemann Treiber
Violine
David Sontòn Caflisch
Violine
Petra Ackermann
Viola
Stéphanie Meyer
Violoncello
Aleksander Gabryś
Kontrabass
Fabrizio Di Salvo
Elektronik

Programm­beschrieb

Das musiktheatralische Werk «Cassandre» des Genfer Komponisten Michael Jarrell ist ein Melodram für Schauspielerin, Ensemble und Elektronik nach der Erzählung «Kassandra» von Christa Wolf, einer zeitgenössischen Version des griechischen Dramas. Die schweizerisch-französische Schauspielerin Marthe Keller hat Jarrell zu dieser Komposition angeregt und 1994 in französischer Sprache am Théâtre du Châtelet Paris in der Regie von Peter Konwitschny uraufgeführt. Die deutsche Version wurde für Anne Bennent geschrieben und 1996 am Lucerne Festival in der Regie von Christoph Marthaler uraufgeführt.


«Cassandre»

Im Werk von Michael Jarrell stellt «Cassandre» den Höhepunkt und die Synthese einer ersten und äusserst fruchtbaren Schaffensperiode dar, auch wenn ihm die Auswahl des Werktextes sowohl in musikalischer als auch in expressiver Hinsicht von Christa Wolf «diktiert» wurde. Die Figur der trojanischen Priesterin, von der deutschen Autorin neu interpretiert, ist hin- und hergerissen zwischen Bildern der Vergangenheit und der drohenden Katastrophe. Weder Wolf noch Jarrell selbst wollen uns mitten in den Trojanischen Krieg hineinziehen: Kassandra spricht lediglich von ihrer Erinnerung an die Ereignisse. Zu Beginn des Stücks ist das Schlimmste bereits eingetreten. Der Gipfel der Klage – und der Revolte – liegt nicht so sehr in einer Utopie der Veränderung oder dem Versuch eines Durchbruchs, sondern vielmehr in einer Art Zwielicht. In einem winzigen Raum, der an das Nichts grenzt, sowie in der blitzartigen Gewissheit, die dem Tod vorausgeht, verdichtet sich die Zeit, schliesst sich und kehrt in Schleifen wieder: In der Intensität der Gefühle wird die Vergangenheit zur Gegenwart. Die verschiedenen Momente des Dramas bieten sich nicht in einer Kausalkette an, die einem realistischen Prinzip folgt, sondern folgen übergangslos aufeinander, ziehen sich an und klingen ineinander, in einem Bewusstseinsstrom, der das Wesentliche offenbart. Der innere Monolog ist Klärungsversuch und Eingeständnis des Scheiterns zugleich, eine Verbindung von klarer Erkenntnis und Melancholie. Das ganze Werk ist, so der Komponist, eine «lange Coda».

Philippe Albéra