Phœnix

«Zeit-los – Minimal Music»

Wiederholung, Pattern und das Spiel damit in der Zeit sind Grundsäulen menschlicher Wahrnehmung, sowie Kommunikation und so wohl auch Grund für den bleibenden Erfolg und die Beliebtheit der Strömung «Minimal Music», die sich explizit mit diesem Phänomen beschäftigt.

«Minimal Music» entstand als Reaktion auf die hochkomplexe serielle Musik eines Karlheinz Stockhausen oder Pierre Boulez, die sich aus der Zwölftontechnik von Arnold Schönberg weiterentwickelt hat. Sie verwendet meistens eine einfache Melodik und eine modale Harmonik. Die rhythmische Komplexität steht neben der klangfarblichen Vielfalt im Vordergrund.

Der amerikanische Komponist Steve Reich ist einer der Gründer der «Minimal Music», die er seit über 50 Jahren entscheidend geprägt hat. Seine Musik ist charakterisiert durch sich allmählich verändernde rhythmische Patterns, die auch für die balinesische Gamelan-Musik stilbildend sind.
Hypnotisierend repetitive Klänge, innovative Rhythmen und harmonische Strukturen in Steve Reichs Meisterwerk «Double Sextet» loten die Grenzen von Raum und Zeit aus und ziehen alle Zuhörenden damit unweigerlich in ihren Bann.
In diesem 2007 entstandenen Werk stehen sich zwei identische Sextett-Formationen gegenüber, die aus je zwei Holzblasinstrumenten (Flöte und Klarinette), zwei Streichinstrumenten (Violine und Violoncello), zwei Vibraphonen und zwei Klavieren bestehen. Die Idee des Dialogs eines live gespielten Instruments mit einer vorproduzieren Klangquelle, die mit dem gleichen Instrument und mit ähnlichem musikalischen Material aufgenommen wurde, hat Steve Reich bereits 1967 mit «Violin Phase» realisiert und im Laufe seines Lebens in mehreren Werken bis zum «Double Sextet» weiterentwickelt. Bei all dieser Werkgruppe besteht die Alternativmöglichkeit, das Tonband durch live gespielte Instrumente zu ersetzen.

Die amerikanische Komponistin und Schlagzeugerin Sarah Hennies komponierte bis zum Jahr 2021 ausschliesslich Solo- und Kammermusikwerke, deren Zusammenspiel durch einen Timecode koordiniert werden. 2021 bestellte das «Talea Ensemble» ein Ensemble mit dem ausdrücklichen Wunsch, einen Dirigenten statt einer Stoppuhr einzusetzen. Sarah Hennies schreibt zur Entstehung dieser Komposition:
«Clock Dies» war das erste Stück, bei dem ich dachte: Mal sehen, ob ich Kammermusik machen kann.
Sarah Hennies setzt sich in «Clock Dies» mit der individuellen Wahrnehmung von Zeit und der Beziehung zwischen Klang und Stille auseinander. Zeit als nicht-lineares Konzept zwischen Musik, Alltagsgeräuschen, Momenten der Stille, des «Nach-Sinnens» und «in-sich-hinein-Hörens».

Die amerikanische Komponistin und Umweltaktivistin Gabriella Smith liess sich während eines Aufenthalts auf der Insel Itaparica in der Baía de Todos-os-Santos (Allerheiligenbucht) von Salvador de Bahia (Brasilien) vom Meeresrauschen während der Gezeiten (brasilianisch «maré»), von Windgeräuschen und Vogelgesängen inspirieren. Sie giesst in «Maré» sanfte Wellen und pulsierende Strömungen in musikalische Form und schafft mit ihrer Komposition eine sinnliche und sinnige Hommage an das ewig Wiederkehrende des Meeres und die Schönheit und innere Kraft des Wassers, die aus jedem Ton spricht.
Ihre Musik ist weniger von den pulsierenden Rhythmen der Minimalisten wie Steve Reich oder Philip Glass beeinflusst, sondern eher von den Klangflächen eines Charlemagne Palestine oder Phill Niblock.

Ein Abend mit «Minimal Music» in ihrer reinsten Form für Augen, Ohren, Geist und Körper!


Programm

Gabriella Smith (*1991) «Maré» für 6 Instrumente (2017) – 7–8’ Sarah Hennies (*1979) «Clock Dies» für 8 Instrumente (2021) – 30’ Steve Reich (*1936) «Double Sextet» für 12 Instrumente (2007) – 22’
Jürg Henneberger
Musikalische Leitung
Christoph Bösch
Flöte
Josef Feichter
Flöte
Toshiko Sakakibara
Klarinette
Manfred Spitaler
Klarinette
Nenad Marković
Trompete
Daniel Stalder
Schlagzeug
João Pacheco
Schlagzeug
Kirill Zvegintsov
Klavier
Samuel Wettstein
Klavier
Friedemann Treiber
Violine
Daniel Hauptmann
Violine
Fabio Marano
Viola
Stéphanie Meyer
Violoncello
Benedikt Böhlen
Violoncello