Phœnix

«Phoenix & Hornroh»

Koproduktion HORNROH MODERN ALPHORN QUARTET & ENSEMBLE PHOENIX BASEL

Der aus Bayern stammende deutsche Komponist Georg Haider schreibt über sein Stück «Morpheus’ Atem»:
Mein Stück hat den Titel «Morpheus’ Atem», 3 Metamorphosen für 4 Alphörner. Hier in groben Zügen das Konzept meiner Komposition:
Wie der Untertitel schon sagt, werden es 3 Sätze, die einander ähneln. Bei der ersten Metamorphose spielen alle 4 Spieler auf Alphörner in F, so dass auch sehr enge Akkorde (quasi Cluster) harmonisch klingen, da sich durch die gleiche Stimmung keine Schwebungen ergeben. Bei der zweiten Metamorphose wechseln 2 der 4 Spieler zu Alphörnern in Ges, so dass wir sowohl Alphörner in F als auch in Ges haben. Dadurch ergeben sich Klänge mit Schwebungen, somit wirkt es wesentlich dissonanter. Beim letzten Satz wechseln auch die beiden anderen Spieler zu Alphörnern in Ges, und man kehrt zu den harmonischen Klängen zurück.
Die Idee dahinter ist: Der erste Teil ist der Zustand der Natur vor der Menschheit. Im zweiten Teil taucht der Mensch auf, der sich die Natur wie ein tyrannischer Herrscher «untertan macht» (ein kurzer Alptraum in der langen Geschichte der Natur). Der dritte Teil beschreibt die Natur nach der Menschheit. Sie kehrt zu einem verwandelten, aber wieder sich selbst überlassenen Zustand zurück. (Georg Haider – 2009)

Enno Poppe ist mittlerweile zu einem der meistgespielten deutschen Komponisten avanciert und macht auch als Dirigent neuer und neuester Stücke weltweit auf sich aufmerksam. So verrückt und exzentrisch, so chaotisch und zugleich geordnet die fertigen Gebilde von Poppes Musik auch klingen mögen, sie zeigen doch immer, woraus sie gemacht sind: Aus wenigen und beim ersten Hören fast unscheinbaren Fäden oder Elementen (quasi «Motiven»). Die Aufmerksamkeit beim Hören richtet sich hierbei auf die erlebbaren Verwandlungsprozesse. Die Titel und Klänge seiner Werke sind meistens einfach, direkt und gleichzeitig hintersinnig. So auch bei der Komposition «Stoff» für neun Musiker. Gemeint ist vielleicht die textile Struktur der Fäden, die einen Stoff ausmachen, aber auch der «Lesestoff», denn auftauchende und wieder verschwindende (musikalisch-motivische) Fäden sind auch ein Merkmal des literarischen «Nouveau Roman».

Joey Tan schreibt über ihr neues Werk, das sie für uns schreiben wird:
«Ich verstehe nicht.» «Was verstehst du nicht?» «Das kann doch nicht sein, dass die Töne – wenn sie einmal in die Welt gesetzt worden sind – eines Tages verschwinden. Wo sind sie aber, wenn sie nicht mehr bei uns sind?»
Yoko Tawada – «Opium für Ovid»

Bei der Besetzung Ensemble Phoenix Basel (Fl, Ob, Kl, Hn, Tpt, Vl, Va, Vc, Kb) + Hornroh Modern Alphorn Quartet (4 Alphörner) sehe ich 13 einzelne Musikerpersönlichkeiten.
Beim Ensemble Phoenix Basel werden Impulse und Vorlieben der einzelnen Musikerinnen und Musiker immer einbezogen, umgesetzt und vor allem geschätzt. Die Musiker:innen von Hornroh haben auch diverse musikalische Hintergründe. Sie kommen aus der klassischen Musik, dem Jazz und der Blasorchesterszene und haben alle unterschiedliche musikalische Ansätze.
Trotz der Unterschiede ihrer Musikerpersönlichkeiten schaffen beide Ensembles Leistungen höchsten Niveaus, denn was die Musiker:innen zusammenführt, ist der gegenseitige Respekt voreinander und vor unterschiedlichen Perspektiven. In der Musik sowie in der Gesellschaft ist die Vielfalt von Denkweisen und Vorlieben eine Stärke – es bereichert die Gruppe, das Ensemblespiel und die Arbeit.
Daher habe ich mich entschieden, eine musikalische Situation gegenseitiger Wertschätzung zu schaffen. Wie ein Koch das Beste von jeder Zutat extrahiert, möchte ich auch in meinem neuen Stück auf die inhärenten Eigenschaften der Musiker:innen, ihrer Spielweisen und ihrer Instrumente sowie ihre Vorlieben und Hintergründe hinweisen.
Der größte Unterschied zwischen beiden Ensembles ist vielleicht die Modernisierung. Das Alphorn (obwohl es auf modernen Alphörnern gespielt wird) ist ein primitives Instrument und kann nur Tonhöhen seiner Obertonreihe spielen, wobei die modernen Instrumente des Ensemble Phoenix Basel über die Jahre hinweg modernisiert wurden. Sie sind lauter, stärker und können auch chromatisch spielen, ihre Klangfarben sind poliert und verfeinert. Aber für alles, was wir gewinnen, verlieren wir auch etwas. Was haben wir beim Polieren der Instrumente verloren? Der deutliche Unterschied zwischen beiden Ensembles stellt das infrage.
Ich werde mittels Melodie, einzelner langer Töne und Loops diese Fragen erforschen.
Als Komponistin aus Singapur habe ich die klassische Musik (als auch die englische Sprache, das klassische Ballett, den Katholizismus…) wie eine Muttersprache gelernt, dennoch haben die Wurzeln immer gefehlt. Das erste Mal, dass ich eine Orgel live gehört habe, war ich 23 Jahre alt und absolvierte das Erasmus-Programm in den Niederlanden. Und das erste Mal, dass ich eine Kuhglocke mit einer Kuh gehört habe, war 2020 in Todtnau. (Wir haben ja keine frei laufenden Kühe in Singapur…)
Ich suche nach den Ursprüngen der Töne, wie sie anfangs verwendet wurden, wie sie über Zeit und Raum hinweg kommuniziert haben, und am wichtigsten – wie ich sie höre und verstehe, und wie ich mittels dieser Töne kommunizieren möchte.  (Joey Tan – 2025)

Dieses Programm versammelt drei sehr unterschiedliche Werke, die alle um Verwandlung kreisen: klanglich, formal oder inhaltlich. Ob durch Naturtonexperimente, mikrostrukturelle Prozesse oder einen interkulturellen Zugang zum Hören – jedes Stück erzählt davon, wie Musik Wandel nicht nur darstellt, sondern selbst zum Raum für Veränderung wird.


Programm

Martin Jaggi (*1978) Neues Werk für Hornroh Modern Alphorn Quartet und Ensemble (2026, UA, Auftrag EPhB/Hornroh) Georg Haider (*1965) «Morpheus’ Atem» 3 Metamorphosen für 4 Alphörner (2009, UA, Auftrag Hornroh) – ca. 15’ Enno Poppe (*1969) «Stoff» für 9 Spieler (2015) – 19’ Joey Tan (*1997) Neues Werk für Hornroh Modern Alphorn Quartet und Ensemble (2026, UA, Auftrag EPhB/Hornroh) – 15’
Balthasar Streiff
Alphorn
Michael Büttler
Alphorn
Jennifer Tauder-Ammann
Alphorn
Lukas Briggen
Alphorn
Jürg Henneberger
Musikalische Leitung
Christoph Bösch
Flöte, Bassflöte
Oboe, Englischhorn
Andrea Nagy
Klarinette, Bassklarinette
Horn
Nenad Marković
Trompete
Michael Büttler
Posaune
Friedemann Treiber
Violine
Petra Ackermann
Viola
Martin Jaggi
Violoncello
Aleksander Gabryś
Kontrabass