In diesem Programm suchen wir ganz bewusst nach musikalischen Wurzeln in der Musik der Renaissance und dem Frühbarock und deren Umsetzung in heutiger Zeit. Der italienische Komponist Salvatore Sciarrino ist einer der Komponisten von heute, dessen Klangsprache eine ganz ureigene Farbe hat, die mit Sicherheit mitunter auf seine intensive Auseinandersetzung mit alter Musik fusst. Zwei seiner Werke, bei denen diese Auseinandersetzung offensichtlich wird, erklingen in diesem Programm. Das eine bezieht sich auf Carlo Gesualdo, das andere auf Alessandro Stradella.

Unser Gitarrist Maurizio Grandinetti setzte sich ebenfalls über Jahrzehnte mit alter Musik auseinander. Sein Zugang ist jedoch mehr eine Übersetzung alter Musik in unsere Zeit; musikalische Gesten und psychische Gefühlszustände, die der Musik immanent sind, werden in neuem Gewand und ungewöhnlich instrumentiert in unsere Zeit geholt, ohne den musikalischen Gehalt anzutasten – im Gegenteil.

Das Programm wird ergänzt durch einen Auftrag an den Basler Komponisten Lukas Langlotz, der sich in seiner Kompositionsweise ebenfalls ständig in fundierter Weise mit alter und ältester Musik auseinandersetzt. In seinem neuen Werk wird ein „Arciorgano“ zu hören sein, eine Orgel, die nach Plänen des italienischen Komponisten Nicola Vicentino aus dem 16. Jahrhundert in Basel gebaut wurde und 31 verschiedene Tonstufen pro Oktave ermöglicht.


Zu den Arrangements:

Nikolaus Harnoncourt schrieb 1982: „Die Musik der Vergangenheit ist durch das Fortschreiten der Geschichte, durch ihre Distanz zur Gegenwart und durch die Herauslösung aus dem Kontext ihrer Zeit zu einer fremden Sprache geworden. Einzelne Aspekte eines Musikstücks mögen zwar allgemeingültig und zeitlos sein, aber die Botschaft als solche ist an eine bestimmte Zeit gebunden und kann nur wiederentdeckt werden, wenn sie gleichsam in unser heutiges Idiom übersetzt wird.“

Heutzutage gibt es ein einzigartiges musikalisches Genre, bei dem Meisterwerke der Vergangenheit neu interpretiert werden, indem alte Meisterwerke in eine mehr oder weniger zeitgenössische Sprache übertragen werden. Mit meinen Bearbeitungen habe ich die Absicht, die ursprüngliche Musik mit meiner vollen Ausdrucksfähigkeit und Intuition zu betrachten und dabei tief in den Textteil einzudringen. Zu diesem Zweck wurden die Gesangs- und Textteile fast vollständig belassen, aber mit einem neuen instrumentalen Rahmen überlagert.

Das Material der Künste hat sich im Laufe der Jahrhunderte verändert, aber ihre künstlerischen Inhalte werden in unserer bewussten Wahrnehmung der Gegenwart erkannt. Jedes Mal, wenn wir Kunst bewerten oder Musik hören, setzt unsere aktuelle Umgebung die Maßstäbe für unsere künstlerische Wahrnehmung. Es liegt an uns zu entscheiden, wie „ursprünglich“ das Objekt sein muss, um es zu erkennen. Was die Restaurierungen der Renaissance betrifft, so wissen wir, dass die Restauratoren damals die Statuen mit dem Geist ihrer eigenen Zeit verbanden und sie in eine neue Sprache übertrugen, die die für ihre Epoche typische Energie vermittelte. Der große Kunsthistoriker Cesare Brandi interpretierte die Renaissance nicht als Wiederbelebung der Antike, sondern als Verklärung universeller Konzepte, als Teil eines völlig neuen kreativen Prozesses.

Heute finden wir die Musik der Renaissance und des Vorbarocks vor allem aufgrund dessen attraktiv, was die Autoren nicht in Partituren festgehalten haben: der Teil, der der Improvisation und dem Arrangement vorbehalten ist. Seit dem Beginn des 18. Jahrhunderts wurde die Gewohnheit angenommen, dass jede Komposition nur einer Interpretation entsprach: der originalgetreuen. Nichts wurde der persönlichen Freiheit überlassen. Was würde mit der abendländischen klassischen Musik geschehen, wenn man versuchen würde, ein wenig asiatische und afrikanische Empfindsamkeiten zu nutzen, wenn man „immaterielle“, symbolische, rituelle oder religiöse Werte berücksichtigen würde, anstatt sich mit ihrer historischen Authentizität zu beschäftigen?

Schließlich ist die Aufführung eines jeden alten Musikstücks eine Feier der Abwesenheit des Originals und seines Urhebers. Wir müssen uns entscheiden, ob wir diese Abwesenheit verbergen oder sie vollständig anerkennen wollen.

Maurizio Grandinetti

Der Einfluss des literarischen Werks des irischen Dichters James Joyce (1842–1941) auf die Komponisten des 20. Jahrhunderts ist eminent. Samuel Barber, John Cage („Roaratorio“), Luigi Dallapiccola, Luciano Berio, Pierre Boulez („3. Klaviersonate“), Bernd Alois Zimmermann („Antiphonen“) und viele andere haben sich von diesem zukunftsweisenden Poeten inspirieren lassen. Luciano Berio vertonte drei Texte aus dessen frühem Gedichtband „Chamber Music“. Der wohl am häufigsten verwendete Text ist der Schluss-Monolog der Molly Bloom aus „Ulysses“. Dieser liegt auch den Werken „Skin“ und „O, Yes & I“ der englischen Komponistin Rebecca Saunders zugrunde. Als Uraufführung wird ein neues Werk des deutschen Komponisten Matthias Heep erklingen. Dieser bezieht sich mit seiner Komposition auf Joyces letzten Roman „Finnegans Wake“.


Für den erkrankten Dirigenten Jürg Henneberger ist kurzfristig Sebastian Gottschick eingesprungen

sämtliche Duos von Gérard Grisey und sämtliche Duos für Streicher von Giacinto Scelsi

Als Ensemble für Neue und Neueste Musik ist es uns ein Anliegen, wichtigen Strömungen der aus heutiger Sicht „historischen“ Neuen Musik Raum zu geben und deren Modernität „nachzuhören“. Gewisse Pioniere Neuer Musik sind unabdingbar und offensichtlich bedeutsam für den weiteren Verlauf musikgeschichtlicher Entwicklungen, andere wieder Endpunkte, dritte Erscheinungen einer in sich geschlossenen Welt ohne direkten Bezug zum Vor- und Nachher. Ein besonders eigenwilliger Repräsentant der dritten Gattung ist Giacinto Scelsi, Graf von d’Ayala Valva, dessen Musik nicht stringent in das Bild der Strömungen der Moderne passt; seine Musik wird wohl immer einzigartig und unverwechselbar klingen.

Gérard Grisey ist im Gegensatz zu Scelsi der Begründer einer der wichtigsten Strömungen Neuer Musik; der „Spektralismus“ beeinflusst bis heute Generationen von Komponist:innen. Grisey durchlief – im Unterschied zum weitgehend autodidaktischen Scelsi – eine vollständige musikalische Ausbildung an Hochschulen und war im direkten Kontakt mit allen „Grossen“ der Zeit wie Ligeti, Stockhausen oder Xenakis. Grisey war mit der Musik von Giacinto Scelsi eng vertraut, die er während seines Italien-Aufenthalts in der Villa Medici 1972–1974 für sich entdeckte.

In diesem Programm stellen wir diese beiden Komponisten einander mit ihrem Duo-Schaffen gegenüber; von Grisey erklingen sämtliche Duos für zwei Soloinstrumente, von Scelsi diejenigen für zwei Streichinstrumente – im Programm sich gegenseitig intarsierend.

Unsere „Blanko“-Projekte sind als bereits legendär zu bezeichnen. Zum einen bespielen wir dieses selbst erfundene Format seit weit über zehn Jahren, zum anderen verbindet uns durch die ungewöhnlich intensive Art der Zusammenarbeit und Auseinandersetzung mit jeweils zwei Künstlern pro Saison ein besonders intensives Band. Bewusst nicht dem üblichen Curriculum einer Komponisten-Ausbildung entstammend, bringen wir Quereinsteiger, im weitesten Sinn „sonic artists“, bildende Künstler mit deutlicher musikalischer Affinität etc. mit unseren Experten für elektronische oder verstärkte Musik zusammen.


Marco Papiro – „Vamos a la playa“ (UA 2021)

Marco Papiro ist ein schweizerisch-italienischer Grafiker, Multi-Instrumentalist und Produzent elektronischer Musik. Seit den neunziger Jahren als Solokünstler tätig, war er zwischenzeitlich auch Wegbegleiter von Daniel Buess in der Band „Mir“, deren posthume letzte LP gerade eben erschienen ist. Papiros Musik ist von einer persönlichen Sprache durchdrungen, malerisch, mystisch und zuweilen humorvoll. „Vamos a la playa“ ist seine erste Komposition für Ensemble.

Link


Dragos Tara – „Escape Room #2“ (UA 2021)

Das musikalische Schaffen des Westschweizer Komponisten und Kontrabassisten Dragos Tara bewegt sich fliessend zwischen Komposition und Improvisation. Seine Arbeit ist stark geprägt durch die Auseinandersetzung mit der „Spieltheorie“, der Infragestellung hergebrachter sozialer Rituale, sowie der Möglichkeiten von instrumentaler und körperlicher Erweiterungen. Die Serie „Escape Room“, für Ensemble und Video, spielt mit multiplen Formen der Narration, wie sie beispielsweise in der „Gaming Culture“ anzutreffen sind. Sie nimmt Ensemble und Publikum auf eine imaginäre Reise in eine gemeinsame virtuelle Welt mit.

Link

Seit 22 Jahren ist für uns das kompositorische Werk des Amerikaners Morton Feldman Herzensangelegenheit. Seine Werke zeichnet eine aussergewöhnliche stilistische Vielfalt aus, die von graphischen Partituren bis zu äusserst komplexen, polyrhythmischen Kompositionen reicht. Ein Beispiel dafür ist sein Trio „Bass Clarinet and Percussion“: das Schlagzeugduo und die Bassklarinette gehen zwei metrisch unabhängige und eigenständige Wege, die sich jedoch am Ende jeder Partiturseite wieder kreuzen. Feldman verkehrte in den Künstlerkreisen New Yorks und hatte freundschaftlichen Kontakt mit den bedeutendsten Malern und Dichtern seiner Zeit. Das Septett „For Frank O’Hara“ ist eine Hommage an den 1966 tödlich verunfallten Dichter. Samuel Beckett schrieb für Morton Feldman das Libretto für seine einzige Oper „Neither“. Die Neuvertonung des Beckett-Hörspiels „Words and Music“ sowie die kompositorische Hommage „For Samuel Beckett“ sind beide in Feldmans Todesjahr 1987 entstanden.

Der aus Litauen stammende Komponist Arturas Bumšteinas schrieb nach dem Vorbild der legendären „Vexations“ von Erik Satie, die gemäss einer kryptisch formulierten Spielanweisung 840 mal wiederholt werden sollen, eine lose Folge von 40 Kurzkompositionen für das EPhB, die von Saties Material ausgehen und das Werk quasi „de-komponieren“. Die Quelle dient als „Steinbruch“ oder „Inspirationsquelle“ für Miniaturen in verschiedensten Instrumental-Kombinationen.

AUFGRUND DER AKTUELLEN CORONA-KRISE ABGESAGT!


Anstatt ein weiteren Onlinestream in die Netzwelt zu stellen und zu versenden, produzieren wir von diesen neuen Stücken eine LP. Und somit etwas Handfestes und Greifbares.


Im Zentrum des Programms steht ein Doppelkonzert für zwei Gitarren und Ensemble, das er für den in Basel lehrenden Gitarristen Pablo Márquez und den Gitarristen des „Ensemble Phoenix Basel“ Maurizio Grandinetti geschrieben hat. Sein Werk „Oltre“ ist eine Hommage an seinen Lehrer Franco Donatoni (1927–2000).

Das Programm wird ergänzt durch ein neues Werk des in Basel lebenden Komponisten Balz Trümpy.


Der mexikanische Komponist Javier Torres Maldonado hat in Mailand bei Franco Donatoni und Ivan Fedele studiert. Seine Musik basiert auf dem Obertonspektrum eines Klanges und ist durch Überlagerung verschiedener melodischer und rhythmischer Schichten äusserst komplex. Maldonado vergleicht seine musikalische Sprache mit der Bildersprache von Piranesi und M. C. Escher, die durch ihre imaginierte Perspektive eine Scheinwelt schafft, die eine individuelle Sichtweise nicht nur zulässt, sondern geradezu herausfordert. Das Ohr soll sich wie eine rotierende Linse auf verschiedene räumliche und zeitliche Ebenen fokussieren.

Der ungarische Komponist György Ligeti hat in den 1960er Jahren die Technik der „Mikropolyphonie“ entwickelt, die sein Schaffen unverwechselbar geprägt hat. In den 1980er Jahren lernte er die Musik für Pianola von Conlon Nancarrow sowie die „just intonation“, die Harry Partch entwickelt hat, kennen. Gleichzeitig entdeckte er in der Musik des afrikanischen Volksstamms der Aka-Pygmäen eine einzigartige Rhythmik, die ihn faszinierte und beeinflusste. Die europäische Musik des XVI. Jahrhunderts hat mit ihrer komplexen polyphonen Struktur und der mitteltönigen Stimmung sein Spätwerk geprägt.

Sein Schüler Detlev Müller-Siemens hat in seinem „Phoenix“-Zyklus die melodische und harmonische Komplexität seines Lehrers auf eine eigene Art übernommen. Seine Musik beschreibend, spricht er von „wuchernden, zwischen stets dem gleichen Anfangs- und Schlusston – wie Vogelschwärme – frei im Raum schwebenden, mäandernden Linien, denen allen eine melodisch-harmonische ‚Grundfarbe‘ gemeinsam ist. Insgesamt bewegt sich jedes der drei Stücke auf eigene Weise zwischen den Extremen einer steinern-kompakten Klanglichkeit einerseits und einer linienartig-verschlungenen Melodik andererseits.“


Nach der Covid-19-Verordnung des Kantons BS vom 20. 11. 2020 sind bei öffentlichen Veranstaltungen momentan nur noch maximal 15 Personen zugelassen.

Die drei Schweizer Komponisten dieses Programms haben alle mit Basel zu tun. Der Pianist Christoph Delz lebte bis zu seinem frühen Tod in Riehen. „Siegel“ ist mit seiner unverwechselbar spröden Instrumentation (Bläser und Schlagzeug) ein verkapptes Klavierkonzert, das er selbst uraufgeführt hat. Jacques Wildberger stammt ebenfalls aus Riehen. Er hat an der Musik-Akademie Basel unterrichtet. Seine „Zeitebenen“ haben bei der Uraufführung an den „Darmstädter Ferienkursen“ zu kontroversen Reaktionen geführt. In diesem virtuosen Werk dialogisieren vier Instrumentalduos in verschiedenen Kombinationen miteinander. Es wurde seither viel zu selten gespielt und ist eine Wiederentdeckung wert. Der aus Luzern stammende Cellist Alfred Knüsel lebt in Basel. Er ist als Komponist eher ein Aussenseiter und ist keiner gängigen Stilrichtung zuzuordnen. Jedes Werk bildet einen eigenen „Kosmos“. Seine neue Komposition ist eine Weiterentwicklung seines Trios „Intarsie“, das er 2017 zum Andenken an unseren 2016 früh verstorbenen Freund und Schlagzeuger Daniel Buess geschrieben hat.

Mario Davidovsky ist eine der ganz grossen Figuren der Amerikanischen Neuen Musik – in Europa jedoch bisher kaum gespielt. Als Pionier der Elektronischen Musik arbeitete er bereits 1960 am „Columbia-Princeton Electronic Music Center“. Sein Werk umfasst bei weitem nicht nur elektronische Musik. Seine berühmtesten Werke, die „Synchronisms“, eine Reihe von über einem Dutzend Werken, die in einem Zeitraum von mehr als 40 Jahren entstanden sind, prägten Generationen von Komponist*innen. Bei der Kombination „klassischer“ Instrumente mit vorproduzierten elektronischen Klängen interessiert sich Davidovsky im Unterschied zu vielen anderen Komponist*innen dieses Genres in keiner Weise für besondere „Sound Effects“, sondern sucht nach einer Verschmelzung des Instrumentalklanges mit der Elektronik, woraus sowohl Kontinuität als auch immanenter musikalischer Ausdruck entstehen. Die frühesten „Synchronisms“ entstammen einer Zeit, in der unsere heutige „sound technology“ noch in den Kinderschuhen steckte, sind aber nichts desto trotz Meisterwerke, die ihresgleichen suchen; die lange Zeitspanne, in der die „Synchronisms“ entstanden sind, dokumentiert ausserdem den technischen Fortschritt auf diesem Gebiet im Lauf der Zeit. Neben ungewöhnlich vielen Auszeichnungen für sein Schaffen erhielt Mario Davidovsky im Jahr 1971 explizit für sein Werk „Synchronisms No. 6“ den Pulitzer-Preis.


Da die Konzerte Pandemie-bedingt abgesagt werden mussten, entschloss sich das EPhB zu einer kombinierten Audio- und Video-Produktion. Bandcamp

Das kompositorische Schaffen des griechischen Komponisten Iannis Xenakis ist ein wichtiger Pfeiler für die Musik des 20./21. Jahrhunderts und hat seinen festen Platz in unseren Programmen. Das Duo Oophaa widmete Xenakis der Cembalistin Elisabeth Chojnacka und dem Schlagzeuger Sylvio Gualda, die das Werk 1989 uraufführten. Xenakis schrieb einen Cembalopart, der für zwei menschliche Hände nur durch Oktavierung einzelner Töne spielbar ist. Das Werk kommt in diesem Konzert in einer Version für zwei speziell umgestimmte Cembali, die es erlaubt, die ursprüngliche Gestalt spielbar zu machen, zu seiner posthumen Uraufführung.

Der zweite Teil des Programms widmet sich drei Schweizer Komponist:innen, die auf verschiedene Weise mit Basel verbunden sind. Der in Nigeria geborene Hanspeter Kyburz unterrichtete von 2000 bis 2002 Komposition an der Hochschule Basel und war Leiter des Elektronischen Studios Basel. Seitdem lebt und unterrichtet er in Berlin. Er wurde bekannt durch sein algorithmisches Kompositionsverfahren, das er auch in seinem Quintett Danse aveugle verwendet hat. Xenakis’ Titel Plektó („Flechte“) könnte auch auf dieses Werk zutreffen: einen blind taumelnden Tanz, der sich in schwindelerregende Höhen schwingt, bis er gleichsam zum Absturz führt und in Erschöpfung endet. Der in Basel lebende amerikanische Komponist Gerald Bennett hat in Basel bei Klaus Huber studiert und 1967–1976 an der Musikakademie Basel unterrichtet. Seine Werke sind in Basel jedoch nahezu unbekannt. Das Konzert schliesst mit einer Uraufführung der in Allschwil lebenden Komponistin Heidi Baader-Nobs. Sie stammt aus Delémont und hat in Basel bei Robert Suter und Jacques Wildberger Komposition studiert.

Der türkische Ausnahmemusiker Aydin Esen lässt sich kaum in eine Kategorie einordnen. Seine Haupteinflüsse liegen im Jazz und in der klassischen Komposition des 20. Jahrhunderts, deren Grenzen er als virtuoser Pianist und Komponist scheinbar mühelos überschreitet. Aydin Esen wurde in Istanbul geboren, wo er im frühesten Kindesalter Klavier zu spielen begann. In Boston absolvierte er ein Studium am Berklee College of Music, welches üblicherweise vier Jahre dauert, in einem Jahr. Nach einer Session Aydins mit Pat Metheny in Boston fragte dieser nur: „How did you get so good?“ Seit seiner Studienzeit hat er zahlreiche Preise für seine Kompositionen sowie als Pianist (u.a. 1989 den Ersten Preis des Internationalen Klavierwettbewerbs von Paris) erhalten. Bei „Big Basel“ wird EPhB ein neues Werk von Aydin Esen uraufführen, das im Auftrag des Festivals „Big Basel“ für diese Formation komponiert wurde.
„Aydin Esen betreibt seit Jahrzehnten sein eigenes Laboratorium und treibt seine Musik voran, abseits aller Trends. Als Zuhörer schenkt er uns so etwas wie Funde aus dieser anderen Welt, die er mit seinem hoch entwickelten musikalischen Bewusstsein in der Lage ist zu bereisen.“ (Wolfgang Muthspiel)

EPhB führte in der Saison 2018/19 zum dritten Mal einen biennalen internationalen Kompositions-Workshop durch. In drei vorbereitenden Modulen (diese unterstützt durch die Schweizer Kulturstiftung „Pro Helvetia“) bekommen junge Komponist*innen zu Beginn ihrer Karriere die Gelegenheit, mit uns als professionellem Spezialisten-Ensemble über den Zeitraum von 18 Monaten zu experimentieren. Für das abschliessende vierte Modul – als integraler Teil der Konzertreihe des Ensemble Phoenix Basel – erhalten zwei ausgewählte Absolvent:innen der Vorbereitungsphase den Auftrag, mit einer neuen Komposition einen musikalischen „Kommentar“ zu einem Zentralwerk des 20. oder 21. Jahrhunderts zu komponieren. Die neuen Kompositionen sollen quasi als „Trabanten“ dieses Werk „umkreisen“, d.h. Bezug darauf nehmen oder dieses kontrastieren. 2020 werden sich die drei Trabanten um Chain 1 des polnischen Komponisten Witold Lutosławski drehen, eines der Schlüsselwerke des 20. Jahrhunderts, das in Zentraleuropa viel zu wenig bekannt ist.

In diesem dritten „Trabant“-Wettbewerb geht der 1. Preis an Hovik Sardaryan, der 2. Preis ex aequo an Tobias Krebs und Victor Alexandru Coltea.

Das kompositorische Schaffen Heinz Holligers, der am 21. Mai 2019 seinen 80. Geburtstag feierte, ist seit 1975 geprägt vom Spätwerk Friedrich Hölderlins, der sich in seinen letzten drei Jahrzehnten, die er in Tübingen in einer Turmstube des Haushalts des Tischlers Ernst Zimmer verbrachte, gern als „Scardanelli“ bezeichnete. Der Komponist Holliger interessiert sich seit früher Jugend für Dichterpersönlichkeiten, die sich der gesellschaftlichen Norm zu entziehen versuchten – sei es durch Suizid (Alexander Xaver Gwerder, Paul Celan) oder Flucht in die sogenannte „geistige Umnachtung“ (Friedrich Hölderlin, Nikolaus Lenau, Robert Schumann, Robert Walser, Louis Soutter) oder Depression (Clemens Brentano). Holligers Eisblumen ist eine Paraphrase des Bach-Chorals „Komm o Tod, Du Schlafes Bruder“. „Ad marginem“ führt uns an die (akustischen) Grenzen bis zur vollkommenen Unhörbarkeit. „Puneigä“ ist eine Hommage an den vom Aussterben bedrohten Pumatter Dialekt, in dem die Dichterin Anna Maria Bacher ihre Gedichte verfasst. Der Riehener Komponist Jacques Wildberger verwendete in seinen Werken ebenfalls Gedichte von Friedrich Hölderlin oder Paul Celan. In seinem Spätwerk „Elegie“ verwendet er Hölderlins Gedicht „Sonnenuntergang“. Von Holligers Kompositionslehrer Sándor Veress wird ein Werk aus dem Nachlass für Flöte und Streicher aufgeführt.

Das Zentralwerk dieses Polnisch-Schweizerischen Programms in Koproduktion mit „Culturescapes 2019 – Polen“ ist das für diesen Anlass entstehende Konzert „Con Clavi III“ von Ryszard Gabryś für Cembalo, Kontrabass und Ensemble. Umrahmt wird diese Uraufführung von zwei Werken der polnischen Komponisten Bolesław Szabelski und Paweł Szymański. Einen Schweizer Bezug schaffen wir mit einem Quintett für Klavier mit Bläsern und Streichern des Polnisch-Schweizerischen Komponisten Constantin Regamey, dessen zu Unrecht fast vergessene Musik das Programm eröffnet. Die musikalische Realisation einer graphischen Komposition des Polnisch-Israelischen Komponisten, Musikologen, Graphikers und Malers Roman Haubenstock-Ramati schliesst den Abend.

Wie klingt meine Zeichnung? Habe ich laut oder leise gemalt? Wieso klingt meine Druckgrafik in blau anders als in rot?

Diesen und weiteren Fragen sind die Kinder der „Druckstelle Basel“ zusammen mit den Musiker:innen des Ensemble Phoenix Basel während einer Herbstferienwoche nachgegangen. Die Kinder haben dabei die Rolle des Komponisten übernommen und ihre klanglichen Vorstellungen in Form graphischer Partituren realisiert. Graphische Notation spielt in der Zeitgenössischen Musik eine wichtige Rolle, denn viele klangliche Ideen lassen sich durch eine traditionelle Notation nicht vermitteln. Mittels experimenteller Drucktechniken untersuchten die Kinder den Zusammenhang zwischen Notation und Klang in einem wechselseitigen Prozess mit den Musiker:innen des EPhB.

Das Ergebnis dieser Auseinandersetzung sind mehrere Kompositionen, welche durch das EPhB interpretiert werden.

Experimentelle Tonband-Musik im Klassenzimmer: Schüler:innen zweier Allschwiler Primarschulklassen waren zusammen mit MusikerInnen des EPhB unterwegs auf der Jagd nach Klängen und haben ihre Fundstücke auf Tonband aufgenommen. Umrahmt von mehreren Solo-Stücken, interpretiert durch Musiker:innen des EPhB, erklingen im Konzert die acht kleinen Sound-Etüden, die die Schüler:innen in Gruppen daraus komponiert haben.


Workshops:
Künstlerische und Pädagogische Leitung – Sebastian Meyer
Janne Jakobsson, Aleksander Gabrys, Francisco Olmedo, Lukas Rickli, Daniel Stalder – Betreuung Workshops
Arev Imer, Christof Stürchler – Audiodesign


Schüler:innen der Klasse 5h der Primarschule Allschwil mit den Lehrerinnen Géraldine Meier, Susanne Bitterli
Schüler:innen der Klasse 5f der Primarschule Allschwil mit den Lehrerinnen Brita Fuhrmann, Simone Salathé


Koproduktion mit ZeitRäume Basel

Konzert mit Werken von Studierenden der Kompositionsklassen der Musikakademie der Stadt Basel aus den Klassen von Erik Oña, Caspar Johannes Walter und Michel Roth.

In unserem Blanko-Gefäss geben wir in diesem Jahr zwei Künstlern das „Wort“, die bezüglich ihres musikalischen Werdegangs verschiedene Wege eingeschlagen haben, uns aber aufgrund ihres gemeinsamen Interesses an Interdisziplinarität als Partner für dieses erneute Abenteuer in der Mischzone verschiedener Genres äusserst geeignet scheinen.

Wir gehen in diesem Konzert der Frage nach, was für eine Rolle die Melodie noch in der zeitgenössischen Musik spielt. György Ligeti hat bereits 1971 mit seinem Titel des Orchesterwerks Melodien diese provokative Frage gestellt.

Der aus Biel stammende Christophe Schiess war Kompositionsstudent bei Georg Friedrich Haas. Seit 2008 pflegen wir einen intensiven künstlerischen Austausch mit ihm. Das Werk „Empreintes de temps“ wurde von uns im Rahmen der “Schlusskonzerte Komposition” der Hochschule für Musik Basel 2010 vom EPhB uraufgeführt.

Georg Friedrich Haas unterrichtete von 2005 bis 2013 an der Hochschule für Musik Basel. Er hat nicht nur dort, sondern für die ganze Musikstadt Basel musikalisch wichtige Akzente gesetzt (erwähnenswert hier In Vain 2003 am Theater Basel, … damit … die Geister der Menschen erhellt und ihr Verstand erleuchtet werden … 2010 anlässlich des “Dies Academicus” im Basler Münster, beides mit dem EPhB).

Eine Urlust am Experimentieren mit Stimmen verbindet die drei Komponisten dieses Programms.

Milton Babbitt studierte erst Mathematik und wechselte später zur Musik. Er definierte in den 1940er Jahren als erster die „serielle Musik“, trug entscheidend zur Entwicklung von „Musiktheorie“ als akademischem Fachgebiet bei und gilt heute in den USA als einer der bedeutendsten Komponisten des 20. Jahrhunderts. Babbitt’s Werk „Arie da capo“ spielt doppeldeutig auf seinen Auftraggeber, die „Da Capo Chamber Players“ aus New York an. In dieser Komposition bekommt jedes der fünf Instrumente seine Arie.

Paul Dolden ist ein lustvoller Grenzgänger zwischen musikalischen Kategorien. Sein virtuoser und intelligenter Umgang mit sich elektronisch vervielfachenden Schichten führen zu einem verbindenden Hörerlebnis zwischen den verschiedenen musikalischen Sparten.

Wiewohl als umfassender Musiker kaum auf eine Sparte festlegbar, verstand sich John Zorn immer zu allererst als Komponist. Kompositorisch in Anlehnung an Schönbergs „Pierrot lunaire“, schuf er 2003 mit „Chimeras“ ein Aufsehen erregendes Werk zwischen klassischem Duktus und chaotischen Ausbrüchen.

Dieses Konzert ist eine Hommage an den Basler Komponisten Rudolf Kelterborn. Er war von 1983 bis 1994 Direktor der Musik-Akademie Basel. In seiner Kompositionsklasse waren u.a. die zwei jüngeren Basler, von denen in diesem Konzert je ein Werk zu hören sein wird. Mit allen drei Komponisten pflegen wir eine jahrelange, kreative Zusammenarbeit. In der neuen Komposition «Encore» vertont Kelterborn Texte von Georg Rudolf Weckerlin, Georg Trakl, Erika Burkart und Johann Wolfgang Goethe sowie japanische Haikus. Der Zyklus ist „Jürg Henneberger – in Dankbarkeit“ gewidmet.

Unser starkes Interesse für elektronische Musik als Erweiterung des herkömmlichen Instrumentariums liess uns auf den englischen Komponisten Jonty Harrison aufmerksam werden. Dieser hat seit 1992 neben vielen akusmatischen Werken nur einzelne Werke für Ensemble plus Elektronik komponiert – so auch «Force Fields». Womöglich auch aufgrund der Beschränkung auf wenige Kompositionen gehören diese zum Besten, was diese Sparte zu bieten hat.

Flankiert wird Harrison’s Werk durch zwei Aufträge an die zur Zeit noch in Basel wirkenden Komponisten Keitaro Takahashi und Andreas Eduardo Frank, die sich bereits während ihres Studiums international zu Recht einen Namen insbesondere im Bereich komponierter Musik mit Elektronik gemacht haben – ein „Showcase“ für Elektronik!

Der aus St. Gallen stammende Komponist und Improvisator Norbert Möslang hat zur Einweihung der „Binären Uhr“ im Auftrag des Hochbauamts St. Gallen ein neues Werk komponiert, das im April 2018 in der Bahnhofshalle St. Gallen ihre Uraufführung durch Musiker des Ensemble Phoenix Basel erlebt hat. Nun wird die Komposition „patterns“ im Kunstmuseum im Rahmen der „Nachtschicht#18“ wiederholt.


Bandcamp

Das kompositorische Schaffen des griechischen Komponisten Iannis Xenakis ist ein wichtiger Pfeiler für die Musik des 20. Jahrhunderts und hat seinen festen Platz in unseren Programmen. Es ist ebenfalls eine Inspirationsquelle für den Schweizer Komponisten und Cellisten Martin Jaggi. Seine Komposition „Har“,  ist der erste Teil eines fünfteiligen Werkzyklus über die ältesten Hochkulturen dieser Erde.

Konzert mit Werken von Studierenden der Kompositionsklassen der Musikakademie der Stadt Basel aus den Klasse von Caspar Johannes Walter und der Klasse für Theorie von Gerhard Luchterhandt  und Michel Roth (Amador Buda Fuentes Manzor).

In unserem bewusst offen gehaltenen Blanko-Programm erhoffen wir uns ein weiteres Mal, die Grenzen der Sparten spürbar und erlebbar zu machen, diese zu überschreiten und verschiedene Genres zeitgenössischen Kunstschaffens näher zu verflechten.

Mit Maja Solveig Kjelstrup Ratkje haben wir eine ungemein vielseitige Künstlerin eingeladen: Die Komponistin und Stimmkünstlerin mit unverwechselbar einzigartiger Stimme bewegt sich in verschiedensten Feldern zwischen Komposition und Improvisation, vom Musiktheater bis hin zu installativen Arbeiten. In Zusammenarbeit mit uns wird sie sowohl als Komponistin als auch als Performerin in Erscheinung treten.

Der Basler Komponist Lukas Huber ist seit Jahren vertraut mit Neuen Medien und bewandert in diversen zeitgemässen Stilrichtungen. Mit diesem Auftrag wagt er sich auf ein Gebiet abseits des herkömmlichen “akademischen” Komponierens. Damit dies gelingt, hat sich Huber entschlossen, dem Ensemble nicht als Einzelner zu begegnen – denn durch das Hinzuziehen eines Komponisten wäre bereits ein für die Neue Musik typisches Setting bedient –, sondern mit seiner Band UFO zu arbeiten: Durch die Konfrontation einer “Freie Impro”-Band und einem Ensemble für zeitgenössiche Musik sollen Automatismen schneller sichtbar gemacht und aufgebrochen werden können.

Im Rahmen der Ausstellung „Everything we do is music“ veranstaltet das Kunsthaus Pasquart zwei Konzerte mit dem Ensemble Phoenix Basel, die den Einfluss klassischer Indischer Musik auf die mitteleuropäische und amerikanische zeitgenössische Musik beleuchten.

Albert Roussel war neben Maurice Delage einer der ersten abendländischen Komponisten, die eine Studienreise nach Indien unternahmen. 1909 unternahm er mit seiner Ehefrau eine lange Reise nach Indien und Südostasien. Die Eindrücke der indischen Musik spiegeln sich v.a. in der Metrik des dritten Satzes «Krishna» aus dem Zyklus «Jouers de flûte» wider, der spielerisch mit unregelmässigen Takten umgeht.

Olivier Messiaens Hauptinspirationsquellen waren neben den Vogelgesängen die indischen Rhythmen, die in «Cantéyodjayâ», einem seiner ersten Klavierwerke, sowie in der fast gleichzeitig entstandenen «Turangalîla-Sinfonie» eine Hauptrolle spielen.

Die drei Klavierstücke «Elis» des Schweizer Komponisten Heinz Holliger sind inspiriert von Gedichtzeilen des österreichischen Dichters Georg Trakl. Die Todessehnsucht, die aus den Gedichten spricht, illustriert Holliger mit indischen Rhythmen, die z.T. auch Olivier Messiaen in seiner Musik verwendet.

Giacinto Scelsis Werk ist schon seit frühen Jahren von östlichen Philosophien beeinflusst, insbesondere aus Indien. In seinen «Quattro Illustrazioni» beschreibt er vier „Avatare“ des indischen Gottes Vishnu. Das Duo für Flöte und Klarinette aus dem Jahre 1966 mit dem Titel «Ko-Lho» beruht auf Scelsis „Philosophie“ des Einzeltons als Grundlage musikalisch beschworener Transzendenz. Die Beschäftigung mit aussereuropäischer Musik führte Scelsi weg von der „abendländischen“ Polyphonie hin zu einer einstimmigen Musik, angereichert mit Mikrointervallen und Mehrklängen.

Der amerikanische Komponist John Cage liess sich in seinen «Sonatas and Interludes» (1946-48), dem «String Quartet» (1950) und den «Six Melodies» (1950) von der indischen Ästhetik „Rasa“ inspirieren. Der Begriff „Rasa“ bezeichnet den nicht in Worte zu fassenden mentalen Zustand der Freude und Erfüllung, der sich beim Genuss eines gelungenen Kunstwerkes beim Betrachter einstellt.

Die nordindische Sarangi inspirierte den Schweizer Komponisten Martin Jaggi zu «Kôrd III». Traditionell werden die Tonhöhen auf diesem Instrument mit dem Nagelbett eines Fingers der linken Hand produziert; der Finger wird also zwischen Saite und Griffbrett gelegt und von unten gegen die Saite gedrückt. Der Klang der Resonanz-Saiten der Sarangi kommt bei Jaggi aus dem Klavier: Er lässt E-Bows auf die Saiten legen, welche einen ganz aussergewöhnlichen, eher technisch kühlen, oder in Jaggis Worten, einen «magischen Klang» erzeugen.

Die treibenden Rhythmen der schnellen Teile sind Sprachrhythmen, abgeleitet von wissenschaftlichen Lexikoneinträgen über die Sarangi.

Jürg Henneberger

„Clash“ – ein Wort ganz im Sinne unseres 2016 verstorbenen Freundes und Schlagzeugers Daniel Buess, dem wir dieses Programm widmen. Klirrendes Aufeinanderprallen verschiedener Materialien, das Kollidieren-Lassen unterschiedlichster Welten erfordern ein waches Zuhören und Zusehen.

Im gleichnamigen Werk von Jannik Giger – sowohl Komponist wie auch Videokünstler – prallen live gespielte und vorproduzierte Musik, die jazzige Klänge mit Akkorden aus Morton Feldmans zweitem Streichquartett konfrontiert, in äusserst virtuoser und spielerischer Weise mit einer Videoarbeit zusammen, die nicht nur reproduziert wird, sondern auch aktiv die Interpreten beeinflusst.

Mit dem Kompositionsauftrag an André Meier stellen wir Gigers „Clash“ ein Werk eines weiteren jungen Schweizer Komponisten entgegen, den wir seit vielen Jahren aufmerksam verfolgen.

In besonderer Weise sind die beiden Komponisten Alfred Knüsel und Thomas Lauck „an unseren Freund Daniel geraten“. Von widersprüchlichem Aneinandergeraten kann jedoch keine Rede sein, der „Clash“ ist hier eher im Sinne von intensivster Auseinandersetzung und einer ganz besonderen Suche nach Klang zu verstehen. Unabhängig von einander schrieben beide Komponisten ein Werk zu seinem Andenken.


Vorkonzert: Vermittlungsprojekt „AlltagSerialismus“:
Unser aller Alltag zeichnet sich durch eine Serie immer wiederkehrender Elemente aus. Diesen „Alltagstrott“ versucht das vom EPhB initiierte Vermittlungsprojekt „AlltagSerialismus“ zusammen mit einer Schulklasse der Sekundarschule Leonhard unter Leitung von Francesca De Felice und Sebastian Meyer kritisch zu reflektieren. Im Verlaufe des Projektes entstanden in kleinen Gruppen vier kurze Tonbandstücke, welche nun im Rahmen eines Vorkonzertes des EPhB präsentiert werden. In diesen Stücken werden Klänge/Geräusche, welche die Jugendlichen in ihrem Alltag aufgenommen haben, auf verschiedenste Arten verarbeitet, neu kontextualisiert, analysiert und kommentiert. Dadurch werden die Jugendlichen sowohl auf ihre alltägliche Geräuschumgebung sensibilisiert wie auch dazu angeregt ihren Alltag verstärkt zu reflektieren.

Jean Barraqué ist einer der «grossen Unbekannten» der französischen Avantgarde, der zeit seines Lebens neben Pierre Boulez einen schweren Stand hatte. Dieses Konzert stellt eins seiner (ge-)wichtigsten Spätwerke neben zwei Frühwerke von Boulez und Karlheinz Stockhausen, welche zu Beginn ihres kompositorischen Schaffens zu den Hauptvertretern des «Serialismus» zählten, einer Kompositionstechnik, die als konsequente Weiterentwicklung der Zwölftontechnik bezeichnet werden kann.
Eine spannende Hörerfahrung, im gleichen Programm ein dodekaphones Werk von Anton Webern, einem Vertreter der «Neuen Wiener Schule», neben streng seriellen Werken zu erleben.

Wer verbindet die USA unserer Zeit mit überschäumender Kreativität, wirklicher künstlerischer Freiheit, unbegrenztem Raum für Experimente?

Dieses Programm mit den drei Grössen Elliott Sharp, Eric Chasalow und John Zorn widmen wir genau diesem Amerika!

Alle drei Komponisten gehören der mittleren Generation der experimentellen Avantgardeszene von New York an. Der Improvisator und Bandleader John Zorn schrieb in den Achtziger Jahren mehrere „game pieces“, eine Art musikalische Kartenspiele, die eine Art „geführte“ Improvisationen sind. Das berühmteste davon ist wohl Cobra, das sowohl von der Besetzung als auch von der Dauer her nicht festgelegt ist.

Der Gitarrist und Komponist Elliott Sharp lässt sich stilistisch schwer einordnen, da er sich mit seiner Musik zwischen den Genres Rock-, Jazz- und Neue Musik bewegt und damit für sich selbst steht und unverwechselbar ist.

Eric Chasalow – ebenfalls lustvoller Grenzgänger zwischen den Sparten – hat bei Mario Davidovsky Komposition studiert und lehrt an der Brandeis University in Boston. Er ist künstlerischer Leiter des Festivals für elektroakustische Musik BEAMS.

Gerald Bennett, Mitbegründer des Schweizerischen Zentrums für Computermusik (SZCM) und des Institute for Computer Music and Sound Technology (ICST), feiert dieses Jahr seinen 75. Geburtstag. Das SZCM veranstaltet aus diesem Anlass in Zusammenarbeit mit dem ICST ein Portraitkonzert, an dem eine Auswahl aus seinem instrumentalen und elektroakustischen Werk erklingt.


Konzept und Organisation:
Lucas Bennett, Sabine Egli, Peter Färber, Johannes Schütt und Judith Winterhager

EPhB führte in der Saison 2016/17 zum zweiten Mal einen biennalen internationalen Kompositions-Workshop durch. In drei vorbereitenden Modulen – diese unterstützt durch die Schweizer Kulturstiftung “Pro Helvetia” – bekommen junge Komponist(inn)en zu Beginn ihrer Karriere die Gelegenheit, mit uns als professionellem Spezia­listen­ensemble über den Zeitraum von 18 Monaten zu experimentieren.

Für das abschliessende vierte Modul – dann als integraler Teil unserer Reihe – erhalten zwei ausgewählte Absolvent(inn)en der Vorbereitungsphase den Auftrag, mit einem neuen Werk einen musikalischen “Kommentar” zu einem Zentralwerk des 20. oder 21. Jahrhunderts zu komponieren. Die neuen Werke sollen quasi als “Trabanten” diese Komposition “umkreisen”, d.h. Bezug darauf nehmen oder diese kontrastieren. 2017 werden sich die beiden Trabanten um das «Kammerkonzert», eines der Hauptwerke des ungarischen Komponisten György Ligeti drehen.

Die aus dem Iran stammende Elnaz Seyedi hat in Bremen bei Younghi Pagh-Paan, in Basel bei Caspar Johannes Walter und an der Folkwang Universität der Künste Essen bei Günter Steinke Komposition studiert. Mit ihrem Werk Detaillierter Blick beleuchtet und reflektiert sie verschiedene Stimmungszustände von Ligetis Meisterwerk, ohne dieses direkt zu zitieren.

Der aus der französischen Schweiz stammende Komponist und Saxophonist Kevin Juillerat studierte in Lausanne bei Pierre-Stéphane Meugé und in Basel bei Marcus Weiss Saxophon. Gleichzeitig studierte er in Genf bei Michael Jarrell und Luis Naon sowie in Basel bei Georg Friedrich Haas Komposition. Sein neues Werk TOMBEAU verwendet ganz konkret einzelne „Bausteine“ aus Ligetis Kammerkonzert, um sie in einen neuen Zusammenhang zu stellen und weiterzuentwickeln, bis sie kurz vor Schluss in ein kurzes wörtliches Zitat münden, das abrupt abbricht und zu einem offenen Ende führt.

Das EPhB stand im Zentrum des Vermittlungsprojekts “Wasserwege”, dessen Ergebnisse im Rahmen des biennalen Festivals “ZeitRäume Basel” 2017 zur Aufführung gelangten. Die Ausgangsidee stammte vom Architekten Raul Mera, der lange Zeit für die versteckten Wasseradern, die unter der Basler Innenstadt verlaufen, interessierte. Konkret ging es um versteckte Kanäle, wie z.B. den, der vom Zoo bis zur Mittleren Brücke das Wasser der Birsig führt. Rauls Anliegen war es, diese Wasseradern für die Bevölkerung erfahrbar, fühlbar und hörbar zu machen. Das Projekt basierte auf einem mittlerweile 35 Jahre alten, nie umgesetzten Projekt von Herzog & de Meuron, das u.a. Brunnen und offene Kanäle auf dem Marktplatz vorsah. Für die musikalische Ausarbeitung konnte die renommierte deutsche Komponistin Carola Bauckholt mit ihrer Kompositionsklasse der Anton Bruckner Privatuniversität Linz gewonnen werden. Sie setzte diese Idee gemeinsam mit dem EPhB und mit Schülerinnen und Schülern Basler Gymnasialklassen in Raum-Klang um.

Das Projekt gastierte als Ko-Produktion bei Wien Modern um und im (!) Pratersee.

Bereits seit vielen Jahren ist das Ensemble Phoenix Basel in Polen bei verschiedensten Festivals ein regelmässiger Gast. So trat das Ensemble mehrfach im Festival «Warschauer Herbst» (2006 und 2013), am «Laboratorium Festival» (2005) umd in Kattowice (2004) auf. Im Sommer 2016 führte eine weitere Polenreise als Ensemble in Residence nach Sokolowsko zu einem kleinen, aber sehr bedeutsamen Festival mit grosser internationaler Ausstrahlung.

Die Einladung für zwei Konzerte nach Danzig zu den Tagen für Neue Musik  sind ein weiterer Beweis dafür, dass das Ensemble Phoenix Basel in einem Land im Spannungsfeld zwischen grosser Musiktradition und ernsthaftem Hunger nach Neuem in politisch komplexen Zeiten eine wichtige Vermittlerrolle inne hat.

Die beschränkten Mittel des Festivals liessen uns Abstand nehmen von einem grossbesetzten Projekt. Dennoch entspringen die beiden Programme künstlerischer Ideen, die das Ensemble Phoenix Basel besonders machen.

Zum einen kommt ein bestehendes, Werk mit dem Titel „Portfolio – land – material – people“ zur Wiederaufführung. In einem langjähringen Kompositionsprozess haben sich der Flötist Christoph Bösch und der Live-Elektroniker Thomas Peter mit Kompositions-Zellen und sogennanten Vignetten der Schweizer Komponistin Katharina Rosenberger auseinandergesetzt und deren Material mit ihr gemeinsam erweitert. Ausgehend von Bildern dreier Schweizer Fotografen (Robert Frank, Christian Lichtenberg und Sarah Girard) war die Grundidee für dieses Projekt die interdisziplinäre Auseinandersetzung zwischen Bild und Ton, bzw. die Beschäftigung mit dem Verhältnis zwischen dem prädominanten Gesichtssinn und dem (zu) oft in interdisziplinären Projekten unter diesem „leidenden“ Hörsinn.

Zum andern erklingen drei neue Kompositionen von Christoph Bösch, Aleksander Gabryś und Thomas Peter, die eigens für das Festival in Danzig entstanden sind.

Die Doppelfunktion der drei seit vielen Jahren gemeinsam arbeitenden Musiker als Komponisten und Interpreten der eigenen Werke verspricht einen besonderen Reiz.

Das erste Konzert der EPhB-Reihe im Jahr 2017 fand in Koproduktion mit dem Museum Tinguely Basel im Rahmen der Ausstellung “Musikmaschinen / Maschinenmusik” statt. Der amerikanische Komponist Conlon Nancarrow hat seit den 1940er Jahren fast ausschliesslich Kompositionen für Pianola oder Player-Piano, wie das Instrument in Amerika genannt wird, geschrieben. Dieses Instrument wurde um die Jahrhundertwende erfunden und hat Komponisten wie Igor Strawinsky, Paul Hindemith, George Antheil u.a. inspiriert, dafür Werke zu schreiben. Nancarrow hat über 50 “Studies” geschrieben, die für menschliche Hände und Finger nicht realisierbar sind. Der ostdeutsche Komponist Wolfgang Heisig hat Nancarrow in den 1990er Jahren in Paris kennengelernt und hat sich seitdem auf die Rekonstruktion der Nancarrow-Rollen spezialisiert – als Komponist schreibt er sowohl Solowerke, wie auch Ensemblewerke mit Phonola (eine Maschine, die vor ein “normales” Klavier gestellt wird und anstelle eines lebenden Pianisten die Tasten bewegt). Der Basler Komponist Alex Buess steuerte mit seiner starken Affinität zu ungewöhnlicher Klangerzeugung ein neues Werk für Phonola, Ensemble und Live-Elektronik bei.

Zwei gewichtige Kammerwerke der «Neuen Wiener Schule» stellt das Eröffnungskonzert der Saison 2015/16 vor und gegenüber: Arnold Schönbergs «Kammersymphonie» op. 9 (1906) und Alban Bergs «Kammerkonzert» (1924/25). Schönbergs «Kammersymphonie» ist mit der ersten Fassung für 15 Instrumente, die er 1906 fertigstellt, keineswegs beendet. Er ringt jahrzehntelang immer wieder um die richtige Besetzung, die richtige «Grösse» dieser Symphonie, er reagiert aber teilweise auch auf die bekanntlich nicht nur enthusiastische Aufnahme des Stückes durch das Wiener Konzertpublikum. Für Bearbeitungen bietet sich diese Symphonie in einem einzigen Satz an; auch Anton Webern hat sich daran gewagt und eine Fassung für fünf Instrumente (der gleichen Instrumentation wie in Schönbergs «Pierrot Lunaire») erstellt, die im Konzert in einer von Jürg Henneberger revidierten Version erklingt. In Schönbergs Augen war die «Kammersymphonie Nr. 1», die ja auch noch den tonalen Untertitel in E-Dur besitzt, ein eigentliches Wendewerk. Er erhoffte, dass ein «Weg aus den verwirrenden Problemen gewiesen wäre, in die wir jungen Komponisten durch die harmonischen, formalen, orchestralen und emotionalen Neuerungen Richard Wagners verstrickt waren». Die Probleme mit der ersten sowie der gleich darauf begonnenen «Kammersymphonie Nr. 2», mit der Schönberg gänzlich stecken blieb, zeigt, dass dieser Ausweg doch nicht so mühelos zu beschreiten war.

Albans Bergs «Kammerkonzert» (1924/25) wird etwas zu häufig reduziert auf seinen Charakter als Widmungswerk zu Schönbergs fünfzigstem Geburtstag 1924. Er habe «seine Brillanz zeigen wollen», braucht man dann nur noch von Berg zu lesen, um in dem Werk einen falschen, über-ambitionierten Gestus zu vermuten. Und man würde der wundervollen und vollen Musik Unrecht tun, deren Komplexität unbestritten dicht und tief ist – Adorno nannte sie «eine Art von Unersättlichkeit». Von knapp doppelter Dauer im Vergleich zu Schönbergs «Kammersymphonie», hat Bergs Werk die Anlage eines Doppel-Konzertes für Klavier und Violine. Die formalen Details, mit denen Berg auf seine Freundschaften mit Webern und Schönberg hinweist, sind zahlreich und in jedem entsprechenden CD-Booklet nachzulesen. Wesentlicher ist auch für Berg selbst das «verborgene» Programm, das in einem Synthese-Schritt der drei Sätze – «Freundschaft, Liebe, Welt» hatte Berg ursprünglich skizziert – und der zwei Solo-Instrumente resultiert. In der hier gespielten Einrichtung von Alban Berg und Jürg Henneberger wird ein Teil der ursprünglich 13 Blasinstrumente durch ein zweites Klavier ersetzt.

Als Bindeglied dieser beiden «Hauptwerke» erklingt Anton Weberns «Konzert» (1934) für neun Instrumente. Im Gegensatz zu Bergs «Kammerkonzert» gibt es hier kein Soloinstrument. Weberns Konzert ist vielmehr ein Dialog zwischen neun Instrumenten, die alle sowohl solistische als auch kammermusikalische Aufgaben übernehmen.

Wir alle kennen es: Auf einmal kommt ein warmer Wind auf und trocknet alle Wolken vom Himmel. Die Berge rücken aneinander, alles scheint näher, klarer, schöner, heller zu sein und die Sonne strahlt in ihrer Masslosigkeit: Postkartenzauber!
Der Föhn hat seinen Ursprung an den Nordhängen unserer Berge. Geliebt und gefürchtet ist er, wird herbeigesehnt und verflucht. Bis an die Grenzläufe im Norden un¬seres Landes ist er zu spüren, und es klagen die Schweizer selbst sogar darüber, dass er sie befällt, quält mit Kopf-, Knochen- und Seelenschmerzen. Der Föhn gehört zur alpinen Welt und zu den Alpenländern wie die Berge selbst. Er ist tief im Alltag verankert und ein Stück unverwechselbare Identität, bringt süssen Zauber und verheerende Verwüstung. Der Föhn ist ein archaisches, zyklisches Wetter- und Dramenspiel der schweizerischen Kulturlandschaft, das ihre Eigenheit von je her mit prägt. Erstaunlicherweise findet man dieses Thema kaum in der Musik- und Theaterwelt. Da nun will der Musiker und Regisseur Christian Zehnder Abhilfe schaffen: Sein interdisziplinäres Musiktheaterprojekt «Föhn» erforscht, beklagt und feiert dieses so urschweizerische Phänomen. Der Schriftsteller Urs Widmer hat speziell für dieses Projekt, den in der alpinen Kulturlandschaft noch ungeschriebenen Mythos vom «Föhn» der Alpen verfasst.


Carina Braunschmidt, Martin Hug, Hans Rudolf Twerenbold – Schauspiel
Männerchor (Einstudierung: Fritz Näf)


Text: Urs Widmer
Konzept, Regie, Raum: Christian Zehnder
Ko-Komposition: Christian Zehnder
Choreographie: Theresa Rotemberg
Kostüme: Karen Feelizitas Petermann
Ton: Amadis Brugnoni
Licht:Makus Küry