«Lettura – Fermata»
Die Schweizer Komponistin Caroline Charrière war ausgebildete Flötistin (sie studierte u. a. bei Aurèle Nicolet) und Chordirigentin. Seit der Uraufführung 1993 ihres Werks «Vox Aeterna» für Sprecher, Damenchor und Orchester nahm das Komponieren immer mehr Platz in ihrem Leben ein, und Im Jahr 2000 schliesslich entschied sich die Musikerin, der Komposition in ihrer Tätigkeit den wichtigsten Platz einzuräumen. Das Sextett «Papillons de Lumière» ist eines ihrer letzten Werke, bevor sie 2018 nach langer Krankheit starb.
Der kanadische Komponist Thierry Tidrow nennt seine «Vier Elementarphantasien» Galgenhumorszenen über Kataklysmusgedichte von Christian Morgenstern. Das virtuose Duo «Die Flamme» ist der Sopranistin Sarah Maria Sun auf den Leib geschrieben. Die musiktheatralen Elemente kommen ihr und ihrer Duopartnerin, der Klarinettistin Toshiko Sakakibara, entgegen. Wir werden mit diesem Duo eine «Oper in Miniaturformat» erleben, das den hintergründigen Texten des Münchner Dichters Christian Morgenstern absolut gerecht wird!
Der Kanadische Komponist Claude Vivier schreibt über «Lettura di Dante»:
«Lettura di Dante» nach Texten aus Dantes «La divina commedia» wurde 1973/74 in Köln komponiert und basiert auf einer Melodie mit sechs Zellen aus einer, zwei oder drei Noten, die ständig wiederholt und im Sopran leicht modifiziert werden. Diese Melodie sowie alle ihre Transpositionen und Spiegelungen wurden dann zu einem langen zwölfstimmigen Kontrapunkt zusammengefasst, dessen Teile rhythmisch in Augmentation und Diminution artikuliert sind. Aus diesem Kontrapunkt entsteht eine «Klangfarbenmelodie», die, von sechs Instrumenten gestaltet, zum Gegengesang der ursprünglichen Melodie wird.
«Lettura di Dante» ist in sechs Hauptabschnitte unterteilt und enthält auch einen siebten Abschnitt, in dem die ursprüngliche Melodie als vierstimmiger Kontrapunkt behandelt wird. Jeder dieser Abschnitte enthält ein Solo und eine Gruppe von einem bis sechs Instrumenten. Außerdem wird im Verlauf des jeweiligen Abschnitts eine Zelle der «Melodie» im Tempo Ganze=15, dem Grundtempo des gesamten Stücks, gespielt.
Diese Musik ist Peter Eötvös gewidmet, einem Musiker aus der Stockhausen-Gruppe, den ich während meines Aufenthalts in Köln kennengelernt habe, und tendiert zu einer neuen Sensibilität, die ich seit meiner Geburt immer bei den Randständigen, den «Pennern» oder Clochards (in Montreal «robineaux») wahrgenommen habe. Auch diese Schönheit und Reinheit, die alte Menschen und Kinder in mir auslösen, oder auch diese Nähe zum Tod, die mir mein Vater und meine Mutter immer auferlegt haben. Die Vision einer unerreichbaren Welt in einem Leben, in dem Geld und Macht alles bestimmen. Ein Leben voller Einsamkeit.
Es sind vor allem diese einsamen Menschen, die wir alle sind, an die ich denke, wenn ich schreibe. Ich denke dann nicht mehr an die «Zukunft» oder die «Vergangenheit», sondern an eine Art verschwundene Gegenwart, eine Art ungreifbare Freude, vermischt mit der Traurigkeit eines Kindes, das seine Mutter verloren hat. (Claude Vivier – 1974)
Der ungarische Komponist Péter Eötvös schreibt über Fermata:
«Fermata » (2020/21) ist ein Concerto für 15 Musiker:innen, die in anderthalb Metern Abstand voneinander sitzen/stehen. Sie tragen eine Art Zeitbericht vor: von unseren Covid-Tagen und Pandemie-Jahren, in denen das gewohnte Leben plötzlich stehen bleibt, dann etwas chaotisch weitergeht und wieder mit tragischen Geschehnissen stoppt.
Die seit Jahrhunderten zunehmenden gesellschaftlichen Spannungen scheinen aktuell die Zündschnur angezündet zu haben. Die Frage ist: Wie lang ist die Schnur und wie schnell oder langsam wird sie die Bombe zur Explosion bringen?
Solche Gedanken wirren im Kopf des Komponisten herum, während er die Töne schreibt und eher das Gefühl hat, die Töne schreiben ihn. (Peter Eötvös – 2021)
Programm
- Sarah Maria Sun
- Sopran
- Jürg Henneberger
- Musikalische Leitung
- Christoph Bösch
- Flöte, Piccolo
- Antje Thierbach
- Oboe, Englischhorn
- Toshiko Sakakibara
- Klarinette
- Christian Spitzenstätter
- Bassklarinette
- Povilas Bingelis
- Fagott, Kontrafagott
- Horn
- Trompete
- Posaune
- João Pacheco
- Schlagzeug
- Kirill Zvegintsov
- Klavier
- Friedemann Treiber
- Violine
- Daniel Hauptmann
- Violine
- Mirka Šćepanović
- Viola
- Benedikt Böhlen
- Violoncello
- Aleksander Gabryś
- Kontrabass