Datum / Ort I
30 November 2024 Gare du Nord, BaselDatum / Ort II
01 Dezember 2024 Gare du Nord, BaselSerie
PhoenixTitel
NosferatuProgramm
Jannik Giger (*1985) «Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens» für Ensemble und Elektronik (mit Film) (2017) – 90’Musiker:innen
- Jürg Henneberger
- Musikalische Leitung
- Christoph Bösch
- Flöte
- Toshiko Sakakibara
- Bassklarinette
- Mihaly Fliegauf
- Kontraforte
- Aurélien Tschopp
- Horn
- Michael Büttler
- Posaune
- Daniel Stalder
- Schlagzeug
- Mauricio Silva Orendain
- Arciorgano
- Mo Klockow
- Arciorgano-Assistenz
- Kirill Zvegintsov
- Klavier
- Samuel Wettstein
- Klavier
- Friedemann Treiber
- Violine
- Susanne Mathé
- Violine
- Petra Ackermann
- Viola
- Stéphanie Meyer
- Violoncello
- Martin Jaggi
- Violoncello
- Till Zehnder
- Sounddesign
Programmbeschrieb
Friedrich Wilhelm Murnau (1888–1931) / Jannik Giger (*1985): «Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens» (1922/2017)
Jannik Giger ist als Komponist und Filmemacher gewohnt Spartengrenzen auszuloten und zu überwinden. Projekte von und mit ihm tragen immer seine unverwechselbare Handschrift. Die Affinität zum Film lassen ihn Murnaus Klassiker «Nosferatu» sensibel und stimmig in Musik setzen, ohne je plakativ oder illustrativ zu werden.
Für seine Neuvertonung des Stummfilmklassikers «Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens» (1922), die 2017 am Musikfestival Bern zur Uraufführung kam, griff Jannik Giger auf Versatzstücke aus Soundtracks zu Filmen von David Lynch oder Alfred Hitchcock sowie auf Fragmente aus der romantischen Klangwelt Franz Schuberts zurück. Diese Reminiszenzen geistern zum einen als zugespielte Samples und zum anderen in kompositorischer Neuschöpfung für vierzehn Instrumentalist:innen durch die Partitur und verbinden so die Historizität des Films mit der Gegenwart seiner Aufführung. In der Transformation dieser Spuren klingender Vergangenheit und ihrer Gegenüberstellung mit live agierenden Musiker:innen verwischt Giger die Trennlinien zwischen realer und virtueller Klangerzeugung. Er löst den herkömmlichen filmmusikalischen Orchesterklang auf, indem er ihn wiederum mit einer Soundcollage verfremdeter Orchesterklänge überschreibt. Das ist von berauschender Klangsinnlichkeit und fügt sich geschickt in die poetische Bildwelt Friedrich Wilhelm Murnaus, unterstreicht die Dramaturgie des Films und bleibt dennoch eine eigenständige Sinneinheit. Ferner weist Gigers Komposition ihre Zitatebene immer wieder als solche aus und wird so zur Reflektion über Wesen und Wirkung von Filmmusik. (Moritz Achermann)
Die neue Komposition von Jannik Giger zum ikonischen Stummfilm «Nosferatu» (1922) von Friedrich Wilhelm Murnau ist ein vielschichtiges Werk, das sich tief in der symbolischen Sprache der expressionistischen Ästhetik verankert. Gigers Komposition greift die visuelle und emotionale Kraft des Films auf und überführt sie in eine neuartige, synästhetische Klangwelt. Nosferatu steht dabei als Sinnbild für Urängste, für die Verunsicherung und die Zerstörung des Lebens – Themen, die Giger musikalisch vielschichtig ausleuchtet. Die Bildsprache des Films wird nicht lediglich vertont, sondern in Gigers Werk zu einem eigenständigen Dialogpartner. Die Musik agiert als abstrakte Ebene, die mit der Dynamik von Zeit und Raum spielt. Durch eine radikale formale Struktur und eine organische Klangentwicklung schafft Giger eine Klanglandschaft, die der filmischen Ästhetik in ihrer Ausdruckskraft entspricht und sie zugleich erweitert. Die Aufführung dieser Komposition erfolgt durch das renommierte Ensemble Phoenix Basel unter der Leitung von Jürg Henneberger. Das Ensemble ist bekannt für seine virtuose und präzise Interpretation zeitgenössischer Musik und bildet die ideale Besetzung, um Gigers anspruchsvolle Klangwelt zum Leben zu erwecken. Ein besonderes Merkmal der Komposition ist die Interaktion zwischen Musiker:innen und «Schattenspieler:innen». Jede Musikerin wird durch einen Lautsprecher ergänzt, der Klänge aus einer anderen Welt in den Raum trägt. Diese Klänge, geprägt von Verfremdung und Verzerrung, erscheinen wie Geister vergangener Zeiten. Sie zitieren die Geschichte der Filmmusik und erinnern mit ihrer Patina an längst vergangene, manchmal unheimliche Erzählweisen. Die Lautsprecher verknüpfen das gegenwärtige Klangbild mit einer geisterhaften Schicht aus Erinnerungen und musikalischen Zitaten. Die Komposition folgt keiner festen Struktur, sondern entwickelt sich organisch. Zitate von Komponisten wie Gustav Mahler oder Bernard Herrmann sind in die Klangwelt integriert, jedoch nicht als bloße Reproduktionen, sondern als Resonanzen, die die emotionale Tiefe und das Unbewusste des Films in eine neue Dimension überführen. Die Referenzen folgen einer eigenen Logik, die aus der Auseinandersetzung mit der filmischen Ästhetik hervorgeht, und schaffen eine einzigartige Balance zwischen Alt und Neu. Die Verbindung von Film und Musik in Gigers Werk führt zu einer faszinierenden Entkopplung des akustischen und visuellen Erlebens. Während die Musik die visuelle Wahrnehmung des Films ergänzt, unterläuft oder sogar transzendiert, entsteht eine eigenständige narrative und emotionale Kraft. Die Komposition betont die Möglichkeiten, Bild und Klang als unabhängige, doch eng verflochtene Medien zu gestalten. Mit seiner Arbeit schafft Jannik Giger eine synästhetische Verschmelzung von Bild und Ton, die weit über eine traditionelle Filmmusik hinausgeht. Die Interpretation durch das Ensemble Phoenix Basel und Jürg Henneberger verleiht der Aufführung eine außergewöhnliche Intensität und macht diese neue Vertonung von «Nosferatu» zu einem faszinierenden Beispiel für die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen den Künsten. (Jannik Giger)