Friedrich Wilhelm Murnau (1888–1931) / Jannik Giger (*1985): «Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens» (1922/2017)
Koproduktion mit dem «Stadtkino Basel»
Jannik Giger ist als Komponist und Filmemacher gewohnt Spartengrenzen auszuloten und zu überwinden. Projekte von und mit ihm tragen immer seine unverwechselbare Handschrift. Die Affinität zum Film lassen ihn Murnaus Klassiker «Nosferatu» sensibel und stimmig in Musik setzen, ohne je plakativ oder illustrativ zu werden.
Für seine Neuvertonung des Stummfilmklassikers «Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens» (1922), die 2017 am Musikfestival Bern zur Uraufführung kam, griff Jannik Giger auf Versatzstücke aus Soundtracks zu Filmen von David Lynch oder Alfred Hitchcock sowie auf Fragmente aus der romantischen Klangwelt Franz Schuberts zurück. Diese Reminiszenzen geistern zum einen als zugespielte Samples und zum anderen in kompositorischer Neuschöpfung für vierzehn Instrumentalist:innen durch die Partitur und verbinden so die Historizität des Films mit der Gegenwart seiner Aufführung. In der Transformation dieser Spuren klingender Vergangenheit und ihrer Gegenüberstellung mit live agierenden Musiker:innen verwischt Giger die Trennlinien zwischen realer und virtueller Klangerzeugung. Er löst den herkömmlichen filmmusikalischen Orchesterklang auf, indem er ihn wiederum mit einer Soundcollage verfremdeter Orchesterklänge überschreibt. Das ist von berauschender Klangsinnlichkeit und fügt sich geschickt in die poetische Bildwelt Friedrich Wilhelm Murnaus, unterstreicht die Dramaturgie des Films und bleibt dennoch eine eigenständige Sinneinheit. Ferner weist Gigers Komposition ihre Zitatebene immer wieder als solche aus und wird so zur Reflektion über Wesen und Wirkung von Filmmusik. (Moritz Achermann)
Die neue Komposition von Jannik Giger zum ikonischen Stummfilm «Nosferatu» (1922) von Friedrich Wilhelm Murnau ist ein vielschichtiges Werk, das sich tief in der symbolischen Sprache der expressionistischen Ästhetik verankert. Gigers Komposition greift die visuelle und emotionale Kraft des Films auf und überführt sie in eine neuartige, synästhetische Klangwelt. Nosferatu steht dabei als Sinnbild für Urängste, für die Verunsicherung und die Zerstörung des Lebens – Themen, die Giger musikalisch vielschichtig ausleuchtet. Die Bildsprache des Films wird nicht lediglich vertont, sondern in Gigers Werk zu einem eigenständigen Dialogpartner. Die Musik agiert als abstrakte Ebene, die mit der Dynamik von Zeit und Raum spielt. Durch eine radikale formale Struktur und eine organische Klangentwicklung schafft Giger eine Klanglandschaft, die der filmischen Ästhetik in ihrer Ausdruckskraft entspricht und sie zugleich erweitert. Die Aufführung dieser Komposition erfolgt durch das renommierte Ensemble Phoenix Basel unter der Leitung von Jürg Henneberger. Das Ensemble ist bekannt für seine virtuose und präzise Interpretation zeitgenössischer Musik und bildet die ideale Besetzung, um Gigers anspruchsvolle Klangwelt zum Leben zu erwecken. Ein besonderes Merkmal der Komposition ist die Interaktion zwischen Musiker:innen und «Schattenspieler:innen». Jede Musikerin wird durch einen Lautsprecher ergänzt, der Klänge aus einer anderen Welt in den Raum trägt. Diese Klänge, geprägt von Verfremdung und Verzerrung, erscheinen wie Geister vergangener Zeiten. Sie zitieren die Geschichte der Filmmusik und erinnern mit ihrer Patina an längst vergangene, manchmal unheimliche Erzählweisen. Die Lautsprecher verknüpfen das gegenwärtige Klangbild mit einer geisterhaften Schicht aus Erinnerungen und musikalischen Zitaten. Die Komposition folgt keiner festen Struktur, sondern entwickelt sich organisch. Zitate von Komponisten wie Gustav Mahler oder Bernard Herrmann sind in die Klangwelt integriert, jedoch nicht als bloße Reproduktionen, sondern als Resonanzen, die die emotionale Tiefe und das Unbewusste des Films in eine neue Dimension überführen. Die Referenzen folgen einer eigenen Logik, die aus der Auseinandersetzung mit der filmischen Ästhetik hervorgeht, und schaffen eine einzigartige Balance zwischen Alt und Neu. Die Verbindung von Film und Musik in Gigers Werk führt zu einer faszinierenden Entkopplung des akustischen und visuellen Erlebens. Während die Musik die visuelle Wahrnehmung des Films ergänzt, unterläuft oder sogar transzendiert, entsteht eine eigenständige narrative und emotionale Kraft. Die Komposition betont die Möglichkeiten, Bild und Klang als unabhängige, doch eng verflochtene Medien zu gestalten. Mit seiner Arbeit schafft Jannik Giger eine synästhetische Verschmelzung von Bild und Ton, die weit über eine traditionelle Filmmusik hinausgeht. Die Interpretation durch das Ensemble Phoenix Basel und Jürg Henneberger verleiht der Aufführung eine außergewöhnliche Intensität und macht diese neue Vertonung von «Nosferatu» zu einem faszinierenden Beispiel für die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen den Künsten. (Jannik Giger)
Konzert mit Werken von Studierenden der Kompositionsklassen der Musikakademie der Stadt Basel aus den Klassen von Erik Oña, Caspar Johannes Walter und Michel Roth.
Konzert mit Werken von Studierenden der Kompositionsklassen der Musikakademie der Stadt Basel aus den Klasse von Caspar Johannes Walter und der Klasse für Theorie von Gerhard Luchterhandt und Michel Roth (Amador Buda Fuentes Manzor).
Das EPhB stand im Zentrum des Vermittlungsprojekts «Wasserwege», dessen Ergebnisse im Rahmen des biennalen Festivals «ZeitRäume Basel» 2017 zur Aufführung gelangten. Die Ausgangsidee stammte vom Architekten Raul Mera, der lange Zeit für die versteckten Wasseradern, die unter der Basler Innenstadt verlaufen, interessierte. Konkret ging es um versteckte Kanäle, wie z. B. den, der vom Zoo bis zur Mittleren Brücke das Wasser der Birsig führt. Rauls Anliegen war es, diese Wasseradern für die Bevölkerung erfahrbar, fühlbar und hörbar zu machen. Das Projekt basierte auf einem mittlerweile 35 Jahre alten, nie umgesetzten Projekt von Herzog & de Meuron, das u. a. Brunnen und offene Kanäle auf dem Marktplatz vorsah. Für die musikalische Ausarbeitung konnte die renommierte deutsche Komponistin Carola Bauckholt mit ihrer Kompositionsklasse der Anton Bruckner Privatuniversität Linz gewonnen werden. Sie setzte diese Idee gemeinsam mit dem EPhB und mit Schülerinnen und Schülern Basler Gymnasialklassen in Raum-Klang um.
Das Projekt gastierte als Ko-Produktion bei Wien Modern um und im (!) Pratersee.
Das erste Konzert der EPhB-Reihe im Jahr 2017 fand in Koproduktion mit dem Museum Tinguely Basel im Rahmen der Ausstellung «Musikmaschinen / Maschinenmusik» statt. Der amerikanische Komponist Conlon Nancarrow hat seit den 1940er Jahren fast ausschliesslich Kompositionen für Pianola oder Player-Piano, wie das Instrument in Amerika genannt wird, geschrieben. Dieses Instrument wurde um die Jahrhundertwende erfunden und hat Komponisten wie Igor Strawinsky, Paul Hindemith, George Antheil u.a. inspiriert, dafür Werke zu schreiben. Nancarrow hat über 50 «Studies» geschrieben, die für menschliche Hände und Finger nicht realisierbar sind. Der ostdeutsche Komponist Wolfgang Heisig hat Nancarrow in den 1990er Jahren in Paris kennengelernt und hat sich seitdem auf die Rekonstruktion der Nancarrow-Rollen spezialisiert – als Komponist schreibt er sowohl Solowerke, wie auch Ensemblewerke mit Phonola (eine Maschine, die vor ein «normales» Klavier gestellt wird und anstelle eines lebenden Pianisten die Tasten bewegt). Der Basler Komponist Alex Buess steuerte mit seiner starken Affinität zu ungewöhnlicher Klangerzeugung ein neues Werk für Phonola, Ensemble und Live-Elektronik bei.